Wenn wir in der Seekarte eine kleine hellblaue Ellipse mit gepunktetem Rand, in der sich ein Längsstrich mit drei Querstrichen findet, sehen, ist sofort hohe Aufmerksamkeit angesagt. Denn die Legende erklärt uns, dass es sich dabei um ein gefährliches Wrack handelt. Das Adjektiv gefährlich kommt hier deshalb zum Zug, da es auch ein Symbol für ein ungefährliches Wrack gibt, also ein Wrack das soweit unter der Wasseroberfläche liegt, dass es für Schiffe keine Gefahr darstellt. Und es gibt zusätzlich ein Symbol für ein sichtbares Wrack, das ein halb versunkenes Schiff mit Mast zeigt. Der nicht gesunkene Teil stellt für uns also ein sichtbares Hindernis dar.
Ob das Hochhausprojekt “Top Tower” in Prag mit dem Symbol eines sichtbaren Wracks im Stadtplan verzeichnet wird, wissen wir nicht. Es sollte jedenfalls mit 135 Metern das höchste Gebäude Tschechiens werden. Aber es ist nicht die Höhe des geplanten Turms, die für Aufregung sorgt, sondern ein Schiffswrack. Geht es nach den spektakulären Ideen von Bildhauer und Architekt David Černý und seinem Kollegen Tomáš Císař sollte nämlich ein riesiges, den Hochhausturm überragendes, Skelett eines Wracks aus rotem Stahl an diesen angelehnt werden. Ein tatsächlich verstörendes und provokantes, weit sichtbares Zeichen soll in Zukunft in der tschechischen Metropole zum Himmel ragen. Aber warum wollen die beiden ausgerechnet das Gerippe eines vermeintlich versunkenen Schiffs in die Skyline stellen?
Das Leitmotiv des Wrack-Hochhauses ist nun tatsächlich kein sehr optimistisches, soll es uns doch die düsteren Auswirkungen des Klimawandels vor Augen führen, wenn nämlich in einer apokalyptischen Umweltkatastrophe ein Frachtschiff mit einem Wolkenkratzer kollidiert. Wir finden den Entwurf genial, denn ein Wrack ist ein durchwegs starkes Symbol für Untergang, Katastrophe, Naturgewalt und Vergänglichkeit.
Aber es ist nicht das erste Schiff, das in der Großstadt mit einem Haus kollidiert. Vor zehn Jahren ließ der österreichische Künstler Erwin Wurm eine kleine Segelyacht auf dem Dach des 7. stöckigen Hotel Daniel in Wien stranden. Aber hier ist nichts von Apokalypse zu spüren, sondern von einer verdrehten absurden Pop Art Welt. Dass hier ein Segelschiff mitten in der Stadt auf einem Haus strandet ist zwar ebenfalls sehr überraschend aber eher heiter als düster.
Das hängt wahrscheinlich mit dem Charakter von Wien zusammen, über das der Komponist Gustav Mahler gesagt haben soll: „Wenn die Welt einmal untergehen sollte, ziehe ich nach Wien, denn dort passiert alles 50 Jahre später“.
mar