ist der beste tag um über das meer nachzudenken

Anekdote zur Senkung der Arbeitsmoral

Durch die digitale Revolution können wir heute die Yacht zum Büro und somit das Büro zum Paradies machen.

Die Anek­do­te hat sich ver­mut­li­che Anfang der 1960er Jah­re an einer west­li­chen Küs­te Euro­pas zuge­tra­gen. Zumin­dest wur­de sie zu die­ser Zeit von Hein­rich Böll geschrie­ben und am 1. Mai 1963 veröffentlicht.

Ein statt­li­cher Tou­rist trifft auf einen, in sei­nem Boot dösen­den, ärm­lich geklei­de­ten Fischer und weckt die­sen auf, als er die ver­meint­li­che Idyl­le foto­gra­fiert. Dass ein Berufs­fi­scher ein­fach so fau­len­zend in der Son­ne liegt statt sei­nem Hand­werk nach­zu­ge­hen, scheint den Tou­ris­ten zu beschäf­ti­gen und er erkun­digt sich, ob er denn heu­te noch auf Fang gehen wür­de, da ja bes­tes Wet­ter vor­herr­sche.
Doch der Fischer ent­geg­net, dass er schon draus­sen war und sogar genug für mor­gen und über­mor­gen gefan­gen habe. Das stößt beim Frem­den jedoch auf Unver­ständ­nis und er ver­sucht den Fischer zu moti­vie­ren. Er kön­ne doch heu­te noch­mals raus­fah­ren und noch­mals und dann mehr Fisch ver­kau­fen. Dann kön­ne er sich bald einen Motor kau­fen, und bald ein zwei­tes und drit­tes Boot. Bald kön­ne er sich einen klei­nen Kut­ter leis­ten, ein Kühl­haus bau­en, Lachs­rech­te erwer­ben, ein Fisch­re­stau­rant auf­ma­chen und Hum­mer nach Paris expor­tie­ren!
“Was dann?”, fragt der Fischer den Tou­ris­ten.
„Dann“, sagt die­ser mit stil­ler Begeis­te­rung, „dann könnten Sie beru­higt hier im Hafen sit­zen, in der Son­ne dösen und auf das herr­li­che Meer bli­cken.“.
„Aber das tu’ ich ja schon jetzt“, sagt der Fischer, „ich sit­ze beru­higt am Hafen und döse.”.

Mit­ten in den Wirt­schafts­wun­der­jah­ren der Nach­kriegs­zeit skiz­ziert Böll in sei­ner kur­zen Anek­do­te die Absur­di­tät von Mate­ria­lis­mus und Pro­fit­stre­ben. Ziel ist es, so lan­ge zu arbei­ten, bis wir uns sor­gen­los zum Nichts­tun an den Strand legen kön­nen, oder natür­lich noch bes­ser, mit unse­rer schö­nen Yacht, die wir uns dann leis­ten kön­nen, zu den schöns­ten Strän­den segeln können.

Die­ses Para­do­xon zwi­schen Arbeit und Frei­heit, zwi­schen beruf­li­chem Erfolg und Müßig­gang scheint sich heu­te durch die digi­ta­le Revo­lu­ti­on für man­che von uns schon auf­zu­lö­sen, indem man ganz ein­fach bei­des gleich­zei­tig macht. Das Büro ver­liert immer mehr sei­ne Orts­ge­bun­den­heit, was uns Vor­tei­le aber auch Nach­tei­le bringt. Immer beruf­lich mobil erreich­bar zu sein, immer per Whats­App infor­miert zu wer­den, immer auf E‑Mail Bereit­schaft zu sein und immer die gan­ze Fir­ma, von der Lohn­ver­rech­nung bis zum Web­shop dabei zu haben, kann schon zur Belas­tung werden.

Aber genau die digi­ta­len Mög­lich­kei­ten kön­nen wir auch nut­zen, um die Yacht zum Büro und somit das Büro zum Para­dies zu machen. Dass die­ses Dasein als mari­ti­mer digi­ta­ler Noma­de mög­lich ist, dafür gibt es inzwi­schen eini­ge erfolg­rei­che Bei­spie­le, mit ganz unter­schied­li­chen Modellen. 

Was Hein­rich Böll zu die­ser “Work Life Blen­ding” genann­ten Ver­schmel­zung von Frei­zeit und Arbeit gesagt hät­te wis­sen wir nicht. Sozio­lo­gen war­nen jeden­falls vor einem kol­lek­ti­ven Burn-Out der Gesell­schaft. Wenn Sie also einen Seg­ler dösend in der Son­ne lie­gen sehen, zie­hen Sie kei­ne vor­ei­li­gen Schlüs­se, ver­mut­lich arbei­tet er gerade.

mar

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