Wir sind mitten im Sommer angekommen – die Saison, in der das Meer lebendig wird. Überall Musik, volle Häfen und Boote, die oft bis spät in die Nacht feiern. Für viele gehört das einfach zum Sommer am Wasser dazu: Ausgelassenheit, Spaß und eine lange, laute Party.
Für unsere längeren Törns wählen wir die Sommerzeit deshalb eher selten. Wir suchen Ruhe, Natur und Einsamkeit – und die gibt es in den heißen Monaten kaum. Deshalb haben wir uns für unseren dreiwöchigen Törn die Vorsaison ausgesucht und wurden belohnt: ruhige Ankerplätze, fast einsame Buchten und eine entspannte, gelassene Atmosphäre.
Beim Gespräch mit anderen Seglern hörten wir immer wieder denselben Tenor: „Weiter südlich ist es schon ganz anders.“ Rücksichtslosigkeit, fehlende Seemannschaft, das Meer als Partywiese – das seien keine Ausnahmen mehr. Das hat uns zum Nachdenken gebracht: Hat sich die Kultur unter Seglern wirklich verändert? Segeln heißt doch, das Meer zu respektieren, verantwortungsvoll unterwegs zu sein und Rücksicht auf andere zu nehmen. Früher war das vielleicht selbstverständlich, denn viele lernten das Segeln von Grund auf. Heute ist der Sport zugänglicher geworden, was erfreulich ist. Aber es bringt auch Herausforderungen mit sich: Viele Neulinge, Chartercrews oder Feiernde, die das Wasser als Partyzone sehen, ohne immer die nötigen Kenntnisse und Rücksicht zu haben.
Wir erleben zunehmend Situationen, in denen diese Seemannschaft auf die Probe gestellt wird: volle Häfen, hektische Manöver, laute Musik auf dem Wasser und manchmal sogar rücksichtsloses Verhalten. Darauf zu vertrauen, dass die KVR bekannt sind, das tun wir nicht mehr. Segeln ist Freiheit, Spaß und Gemeinschaft – aber eben auch Verantwortung. Nur so bleibt das Meer für alle ein sicherer, schöner Ort, an dem man mit Freude unterwegs sein kann.
Vielleicht ist es genau das, was in all dem Sommertrubel und der neuen Leichtigkeit auf dem Wasser manchmal verloren geht: Respekt. Aber was ist das eigentlich – Respekt?
Es ist kein starres Regelwerk, kein erhobener Zeigefinger. Es ist vielmehr eine innere Haltung: die Anerkennung, dass ich nicht allein bin, dass meine Freiheit dort endet, wo sie die anderer gefährdet. Dass das Meer nicht mir gehört, sondern wir es teilen – mit anderen Menschen, mit der Natur, mit den Kräften, die stärker sind als wir.
Respekt zeigt sich in kleinen Gesten: wenn ich einem unerfahrenen Skipper helfe, statt mich über ihn zu ärgern. Wenn ich beim Ankern nicht nur an meinen Liegeplatz denke, sondern auch an die, die schon da sind. Wenn ich begreife, dass das Meer kein Spielplatz ist – sondern ein Lebensraum, der uns viel schenkt, aber auch viel abverlangt.
Und ja, manchmal scheint Respekt heute nicht mehr besonders „in“ zu sein. Laut ist lauter als leise. Schnell ist cooler als sorgfältig. Rücksicht wird leicht als Schwäche ausgelegt. Dabei ist es genau andersherum: Respekt verlangt Stärke. Selbstkontrolle. Souveränität.
Gerade auf dem Wasser zeigt sich das deutlich. Wer hier ohne Respekt unterwegs ist – vor den Elementen, vor anderen, vor sich selbst – wird früher oder später an Grenzen stoßen. Respekt ist der stille Kern der Seemannschaft. Ohne ihn bleibt das Segeln nur Freizeit. Mit ihm wird es zur Haltung.
mar