die besten filme für yachties – mach deine kajüte zum kino

True Spirit, 2023

Die australische Netflix-Produktion "True Spirit" erzählt in einem Biopic die Geschichte der jüngsten nonstop Einhand Weltumseglerin Jessica Watson. Wer sich ein realitätsnahes Seglerinnendrama erwartet, ist hier falsch. Und das ist gut so.

Genau drei Tage vor ihrem 17. Geburts­tag kam Jes­si­ca Wat­son mit ihrer 34 Fuss Yacht Ella’s Pink Lady im Hafen von Syd­ney  an, und wur­de von 80.000 Men­schen jubelnd emp­fan­gen und als Hel­din gefei­ert. Die jun­ge Aus­tra­lie­rin umse­gel­te in 210 Tagen die Welt und war somit die jüngs­te non­stop Ein­hand Welt­um­seg­le­rin der Geschichte. 

Die aus­tra­li­sche Net­flix-Pro­duk­ti­on True Spi­rit hat nun die Geschich­te rund um Jes­si­ca Wat­son und ihr ein­ma­li­ges Aben­teu­er in einem Bio­pic auf die Lein­wand gebracht. Her­aus­ge­kom­men ist ein Film, der sehr tief in die pin­ke Welt von Jes­si­ca ein­taucht, der stel­len­wei­se wie ein Mär­chen erzählt wird, der die gro­ßen Emo­tio­nen der jun­gen Seg­le­rin gekonnt in Bil­der setzt und der auch die Kon­tro­ver­sen rund um das Pro­jekt nicht aus­blen­det.  Wer sich ein klir­rend rea­lis­ti­sches Segeldo­ku­dra­ma erwar­tet, ist hier wohl im fal­schen Film. Wer sich auf die berüh­ren­de Rei­se eines muti­gen Mäd­chens, das sich mit sich selbst und der Welt mes­sen will, mit­neh­men las­sen will, darf für 109 Minu­ten in ihre fes­seln­de Welt ein­tau­chen. Dass sich der Film nicht an den Lini­en der Rea­li­tät bewegt, son­dern sei­ne eige­ne Welt erschafft, in der auch Platz für Kitsch, Ste­reo­ty­pen und gro­ße Gefüh­le ist, zeich­net ihn tat­säch­lich aus. Durch die fik­tio­na­le Ebe­ne, die über die Geschich­te gelegt wird, bleibt uns zum Schluss ja nur die über­ra­schen­de Erkennt­nis, dass die­ses unglaub­li­che Mär­chen wahr ist.

Und Jes­si­ca Wat­son, danach befragt, was sie am Film als beson­ders real befand, bringt es auf den Punkt: “Der Film hat das Wesent­li­che mei­ner Geschich­te erfaßt. Er stellt den wah­ren Hel­den in den Mit­tel­punkt: die­ses klei­ne Boot. Das bedeu­tet mir sehr viel.”.

Der Regis­seu­rin und Mit­dreh­buch­au­to­rin Sarah Spil­la­ne muss man hier auch gro­ßes Lob dafür aus­spre­chen, dass sie sich eben nicht in jedem Moment an den rea­len Bil­dern mißt, denn dar­an könn­te man ja nur schei­tern, weil es sie eben schon gibt. Das liegt dar­an, dass die Welt­um­se­ge­lung von Jes­si­ca Wat­son sehr gro­ße media­le Auf­merk­sam­keit hat­te. Es gab eine öffent­li­che Kon­tro­ver­se dar­über, wie ver­ant­wor­tungs­los es ist, einen 16-jäh­ri­gen Teen­ager dabei zu unter­stüt­zen, eine Welt­um­se­ge­lung zu machen. Die Rol­le der Eltern, der Behör­den, der Spon­so­ren und des Betreu­er­teams wur­de immer wie­der hef­tig kri­ti­siert. Sogar eine aus­tra­li­sche Geset­zes­än­de­rung stand zur Dis­kus­si­on. Und wie es bei Jes­si­cas Ankunft rich­tig for­mu­liert wur­de: Jes­si­ca hat zwar die Welt umse­gelt, Füh­rer­schein darf sie aller­dings noch kei­nen machen. Mit dem Fort­schritt der Rei­se wur­de aus dem ver­ant­wor­tungs­lo­sen Teen­ager in den Medi­en immer mehr die Hel­din, die Men­schen inspi­riert, weil sie ihre Träu­me gegen den Wider­stand der Erwach­se­nen-Welt ver­wirk­licht. Zusätz­lich hat Jes­si­ca Wat­son auch einen Video­blog wäh­rend der Welt­um­se­ge­lung gemacht und vie­le Bil­der und Sto­ries live von ihrer pin­ken Yacht gesen­det. Ein sehr schö­ner Kunst­griff von Sarah Spil­la­ne ist es, dass sie uns nach dem Ende des Films, also der Ankunft in Syd­ney noch minu­ten­lang, sozu­sa­gen als Epi­log, ganz vie­le Bil­der der rea­len Rei­se nach­lie­fert. Hier haben wir den Rea­li­ty Check gleich direkt vor Augen.

Im Film ist Jes­si­cas sozia­les Umfeld auf meh­re­re Pro­to­ty­pen redu­ziert. Ihre Fami­lie mit den Eltern, die zwi­schen Beden­ken und Enthu­si­as­mus hin und her schwen­ken und abwech­selnd die Welt­um­se­ge­lung immer wie­der in Fra­ge stel­len. Ihre Geschwis­ter, die uns immer wie­der vor Augen hal­ten, dass wir uns hier in der Welt einer 16-Jäh­ri­gen befin­den. Der kau­zi­ge, etwas ver­bit­ter­te Seg­ler Ben Bryant, der Jes­si­ca auf die Rea­li­tät da draus­sen auf dem Oze­an vor­be­rei­tet. Und der TV-Repor­ter Craig Ather­ton, der sozu­sa­gen die sen­sa­ti­ons­gie­ri­ge Medi­en­welt ver­kör­pert. Und natür­lich spielt die pin­ke Yacht eine tra­gen­de Rol­le. Ver­gleicht man die­se mit dem Ori­gi­nal, so gibt ein paar Unter­schie­de, im wesent­li­chen sind Film­schiff und Ori­gi­nal sehr ähn­lich.
Das Ori­gi­nal ist eine S&S 34, eine von Spark­man & Ste­phens 1968 design­te, schnel­le und sehr see­tüch­ti­ge Yacht. Mit die­sem Modell wur­den schon eini­ge Welt­um­se­ge­lun­gen gemacht.

Und da wären wir auch schon bei der Dar­stel­lung der Welt­um­se­ge­lung selbst. Ich habe bis­her weni­ge Fil­me gese­hen, wo die Sze­nen auf See eine so nach­voll­zieh­ba­re Stim­mung ver­mit­teln. Ob in der Kajü­te, im Cock­pit oder an Deck: die Per­spek­ti­ven und vor allem die Bewe­gun­gen, die ja am Schiff immer da sind, wir­ken sehr authen­tisch. Beson­ders geglückt sind die Über­hö­hun­gen von beson­ders schö­nen und beson­ders dra­ma­ti­schen Momen­ten. Wenn Jes­si­ca in ein Meer von Ster­nen am Süd­him­mel schaut, wirkt das wie ein Traum­bild. Wenn ihr Schiff nach der Ken­te­rung unter­zu­ge­hen droht, wirkt das wie ein Bild aus einem Alp­traum. Bei­des ist kei­nes­wegs rea­lis­tisch, aber Jes­si­ca mag es so erlebt haben. Dazwi­schen lie­gen die schöns­ten Bil­der des Films, wenn Jes­si­ca bei per­fek­tem Wind ele­gant ihrem Ziel ent­ge­gen­rauscht und von Del­phi­nen und Walen beglei­tet wird. Für sol­che Momen­te segeln wir.

Was auf jeden Fall sehr ein­dring­lich trans­por­tiert wird, ist die gran­dio­se Leis­tung der Seg­le­rin. Und die­se wird von der jun­gen aus­tra­li­schen Schau­spie­le­rin Rea­gan Croft per­fekt dar­ge­stellt. Neben Croft ist auch die Leis­tung des neu­see­län­di­schen Schau­spie­lers Cliff Cur­tis her­aus­ra­gend, der ehr­li­che, kan­ti­ge, etwas ver­bit­ter­te ein­sa­me See­va­ga­bund ist ihm wie auf den Leib geschnit­ten. Und Jes­si­cas klei­ne Schwes­ter, dar­ge­stellt von Vivi­en Tur­ner, sorgt immer wie­der für ent­zü­ckend komi­sche Momen­te. Eben­so beacht­lich ist Aly­la Brow­ne, die in Rück­blen­den Jes­si­ca Wat­son als Kind darstellt. 

Es gibt übri­gens ein sehr schö­nes Inter­view mit Jes­si­ca Wat­son und Segel­le­gen­de Wil­fried Erd­mann, wo Erd­mann auf Jes­si­cas zar­ten Ober­ar­me hin­weist und sie fragt, ob ihr nicht beim Segeln manch­mal die Kraft gefehlt hat. Nein, mein­te Jes­si­ca, sie war immer schon zart und eher schwach und habe das ganz ein­fach dadurch aus­ge­gli­chen, dass sie alles lang­sa­mer und ruhi­ger gemacht hat. Kraft sei das letz­te was ihr gefehlt hät­te. Zum Glück segeln immer mehr Frauen.

Und zum Schluss gibt es noch einen Emp­feh­lung von Jes­si­ca Wat­son für den Film: “You have all the fun and all the trou­ble, wit­hout any responsibility.”.