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Greyhound, 2020

“Wie durch ein Brennglas betrachtet unser Film die Geschichte der Atlantikschlacht.”, so beschreibt Tom Hanks, der die Hauptrolle des Kapitäns spielt, den Film. Und was wir unter diesem Brennglas sehen, ist ein überaus bemerkenswerter Film, der einen emotional sehr tiefgreifenden Spannungsbogen aufbaut.

Der Film blen­det gleich direkt die Ereig­nis­se im Febru­ar 1942 ein. Schau­platz ist der Atlan­tik kurz nach dem Ein­tritt der USA in den Zwei­ten Welt­krieg. Ein düs­te­rer Sound­tep­pich macht sofort die Dra­ma­tik der kom­men­den Ereig­nis­se fest und eine his­to­ri­sche Stim­me aus dem Off lässt kei­nen Zwei­fel, dass es hier um Krieg geht. “Unse­re ame­ri­ka­ni­schen Han­dels­schif­fe müs­sen unge­hin­dert unse­re ame­ri­ka­ni­schen Güter in die Häfen unse­rer Freun­de brin­gen kön­nen. Und unse­re ame­ri­ka­ni­schen Han­dels­schif­fe müs­sen beschützt wer­den von unse­rer ame­ri­ka­ni­schen Navy. Die Haupt­last des Kriegs ist den See­män­nern zuge­fal­len.” Unser Blick geht durch die graue Wol­ken­de­cke und öff­net sich auf ein ame­ri­ka­ni­sches Flug­zeug, das über einem Schiffs­kon­voi auf dem grau­en dunk­len Atlan­tik fliegt. Unter den Schif­fen befin­det sich auch die Grayhound.

Grey­hound ist der Spitz­na­me der USS Kee­ling, eines Zer­stö­rers  der  Flet­cher Klas­se, der den Geleit­zug HX-25, ein Kon­voi von 37 Trup­pen- und Ver­sor­gungs­schif­fen auf dem Weg nach Liver­pool sichern soll. HX steht für Hali­fax und sol­che Schiffs­kon­vois waren im Zwei­ten Welt­krieg eine wesent­li­che Ver­sor­gungs­rou­te zwi­schen Kana­da und Groß­bri­tan­ni­en. Ziel der Nazi-Kriegs­füh­rung war es die­se Ver­sor­gungs­kon­vois mit U‑Booten anzu­grei­fen und mög­lichst vie­le Schif­fe zu ver­sen­ken. Die Kon­vois wur­den zusätz­lich von Flug­zeu­gen gesi­chert, die für die an der Mee­res­ober­flä­che fah­ren­den U‑Boote (unter Was­ser konn­ten sie nur angrei­fen aber nicht mit der Geschwin­dig­keit der Fracht­schif­fe mit­hal­ten) beson­ders gefähr­lich waren. Aber ab einem Punkt ende­te die Reich­wei­te der Flug­zeu­ge und die Kon­vois muss­ten ohne Luft­un­ter­stüt­zung wei­ter­fah­ren, bis sie vor Groß­bri­tan­ni­en wie­der von Flug­zeu­gen emp­fan­gen wur­den. Dazwi­schen boten die Schif­fe eine gute Ziel­schei­be für U‑Boote der deut­schen Kriegs­ma­ri­ne, die in soge­nann­ten Wolfs­ru­del angriffen.

Wir bli­cken immer noch aus der Vogel­per­spek­ti­ve auf den Geleit­zug HX-25, die Luft­es­kor­te muss umdre­hen und wünscht der Grey­hound viel Glück bei der Über­fahrt. Und der Film schil­dert im Wesent­li­chen, nur durch eine Mini-Rah­men­hand­lung ergänzt, die nächs­ten 50 Stun­den von der Per­spek­ti­ve der Grey­hound aus gese­hen. Es ist das ers­te Kom­man­do von Kapi­tän Krau­se und schon bald taucht am Radar des hoch­mo­der­nen Zer­stö­rers ein Nazi-U-Boot auf. Die Flet­scher Klas­se wur­de ab 1941 gebaut und die Schif­fe gal­ten mit einer län­ge von 114 und einer Brei­te von knapp 12 Metern als sehr schnell und wen­dig und sehr  schlag­kräf­tig bewaffnet.

“Wie durch ein Brenn­glas betrach­tet unser Film die Geschich­te der Atlan­tik­schlacht.”, so beschreibt Tom Hanks, der die Haupt­rol­le des Kapi­täns spielt, den Film. Und was wir unter die­sem Brenn­glas sehen, ist ein über­aus bemer­kens­wer­ter Film, der vor allem durch die Kom­bi­na­ti­on von drei prä­gen­den Stil­mit­teln einen emo­tio­nal sehr tief­grei­fen­den Span­nungs­bo­gen aufbaut. 

Da ist einer­seits die Hand­lung selbst, die auf dem Roman Kon­voi 1943 (eng. The Good She­p­herd) von Cecil Scott Fores­ter aus dem Jahr 1955 basiert. Die­se ist ver­blüf­fend ein­fach und gerad­li­nig. Wir neh­men sozu­sa­gen die Per­spek­ti­ve von Kapi­tän Krau­se ein, der das Kom­man­do über die Gray­hound und damit über den Schutz des Kon­vois hat, ein. Wir beglei­ten ihn und die Mann­schaft auf ihrer Fahrt, die sehr schnell zu einer uner­bitt­li­chen Schlacht auf dem grau­en Atlan­tik wird. Aber die Hand­lung wird eher in die Form eines Log­buchs gegos­sen, das chro­no­lo­gisch ver­dich­tet erzählt als in ein shake­speare­haf­tes Dra­ma, das sich dar­an macht, mensch­li­che Abgrün­de zu erkun­den. Die­se, trotz der der Dar­stel­lung dra­ma­ti­scher Erleb­nis­se wir Krieg, Tod, Kampf, Ver­nich­tung und Apo­ka­lyp­se, doch erstaun­lich zurück­hal­ten­de, beob­ach­ten­de und um einen his­to­ri­schen Rea­lis­mus bemüh­te Hal­tung ist eine gro­ße Qua­li­tät des Films. Dass das Kri­tik­por­tal Film­dienst genau dar­in eine Schwä­che sieht, indem es kon­sta­tiert “Die Insze­nie­rung der Kämp­fe sei nicht packend und bru­tal genug, um die Zuschau­er haut­nah in die Kampf­hand­lung hin­ein­zu­wer­fen.”, ist nicht nach­voll­zieh­bar. Dass in Gray­hound so gut wie kein Blut fließt, kei­ne Lei­chen­tei­le durch die Luft flie­gen und man nicht Men­schen beim Etrin­ken zuse­hen muss, ist ja genau sei­ne Stär­ke, denn es lässt Platz.

Und die­sen Platz nimmt mit Tom Hanks als Kapi­tän Kru­se einer der pro­fi­lier­tes­ten Cha­rak­ter­dar­stel­ler Hol­ly­woods, zwei­fa­cher Oscar­preis­trä­ger als bes­ter Haupt­dar­stel­ler und mit vier gol­den Glo­bes aus­ge­zeich­net ein. Es besteht gar kein Zwei­fel, Tom Hanks ver­mag den Film über­zeu­gend zu tra­gen. Er gibt uns aus­rei­chend Gele­gen­heit, sei­ne Gedan­ken zu lesen. Der Fokus liegt auf dem Kapi­tän und die ande­ren Prot­ago­nis­ten bewe­gen sich um ihn her­um. Aber wir bli­cken hier ja auch auf eine mili­tä­ri­sche Hier­ar­chie in einer Extrem­si­tua­ti­on. Dass Kru­se ein gläu­bi­ger Katho­lik ist, der gehor­sam gegen­über Gott und sei­nen Vor­ge­setz­ten ist und die­sen Gehor­sam auch von sei­nen Unter­ge­be­nen ver­langt, macht ihn eigent­lich als Cha­rak­ter erst inter­es­sant — Held und Anti­held. Es mag wohl nur eine Anek­do­te sein, dass Tom Hanks ein ent­fern­ter Nach­kom­me Abra­ham Lin­colns ist, aber der ame­ri­ka­ni­sche Pathos des Films ist im Gleich­ge­wicht und wird von Hanks genau­so ver­kör­pert wie infra­ge gestellt.

Und natür­lich müs­sen die Hand­lung und der Haupt­cha­rak­ter in Bil­der gegos­sen wer­den. Bemer­kens­wert ist, dass in Gray­hound Bild und Film­mu­sik, ich wür­de hier eher von Sound reden, eine sehr dich­te und ein­prä­gen­de Ver­bin­dung ein­ge­hen. Ver­ant­wort­lich dafür ist der ame­ri­ka­ni­sche Kom­po­nist und Arran­geur Bla­ke Nee­ly, der dafür auch für den Oskar nomi­niert wur­de. Die Regie führ­te Aaron E. Schnei­der und man merkt sofort, dass es ihm um gro­ße Bil­der geht. Das ist nicht ver­wun­der­lich, denn Schnei­der hat lan­ge als Kame­ra­mann gear­bei­tet und war als sol­cher unter ande­rem für Tita­nic von James Came­ron am Werk. Schnei­der ver­steht es, eine sehr dich­te visu­el­le Atmo­sphä­re zu schaf­fen, die es trotz der Dar­stel­lung dra­ma­ti­scher Kampf­hand­lun­gen zwi­schen Stahl­ko­los­sen schafft, nie in die Action­film-Bild­spra­che abzu­glei­ten. Er geht den Weg eines kla­ren Rea­lis­mus, der zu fes­seln ver­mag. Sehr vie­le Sze­nen wur­den auf der USS Kidd gedreht, die als ein­zi­ges Schiff der Flet­cher Klas­se noch im Ori­gi­nal­zu­stand des 2. Welt­kriegs als Muse­ums­schiff  am Mis­sis­sip­pi liegt. Die Schau­spie­ler waren tage­lang auf dem Schiff sta­tio­niert und wur­den mili­tä­risch geschult. Die Auf­nah­men auf der Kom­man­do­brü­cke wur­den im Stu­dio auf einem Nach­bau gedreht, der sich auf einem beweg­li­chen Gim­bal befand, der die Schiffs­be­we­gun­gen simu­lier­te. Dadurch muss­ten die Schau­spie­ler immer sehr rea­lis­tisch die Schiffs­be­we­gun­gen ausgleichen.

Und wo wir schon bei der his­to­ri­schen Rea­li­tät sind, der Geleit­zug HX-25 mit im Film 7 ver­senk­ten Schif­fen und vier ver­senk­ten U‑Booten hat so nie statt­ge­fun­den. Der ver­lust­reichs­te Geleit­zug war HX-229, bei dem 1943 13 alli­ier­te Fracht­schif­fe und ein deut­sches U‑Boot ver­senkt wur­den. Ins­ge­samt fie­len der Atlan­tik­schlacht fast 100.000 zivi­le und mili­tä­ri­sche See­leu­te zum Opfer, indem 3.500 Han­dels­schif­fe, 175 Kriegs­schif­fe und 783 U‑Boote ver­senkt und 741 Flug­zeu­ge abge­schos­sen wurden.