irgendwann ist land in sicht – dann sollte man wissen, was man dort macht!

Museo Revoltella

Wenn man in der Marina San Giusto in Triest anlegt, sollte man unbedingt das Museo Revoltella besuchen. Es befindet sich nur einen Katzensprung von der Marina entfernt im vornehmen Viertel Borgo Giuseppino und zeigt das Stadtpalais und die Kunstsammlung des Triestiner Barons Revoltella, der ein bedeutender Unternehmer und Financier im internationalen Seehandel war.
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Tri­est, 1885
Infor­ma­tio­nen zum Museo Revoltella 

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Museo Revoltella

34123 Tri­es­te / Ita­li­en
Via Arman­do Diaz, 27
45.64° N, 013.76°E

Mit der Erhe­bung Tri­ests zum Frei­ha­fen 1719 durch den Habs­bur­ger Kai­ser Karl VI begann der Auf­stieg von einer klei­nen befes­tig­ten Stadt zu einem inter­na­tio­na­len, pul­sie­ren­den und wich­ti­gen Han­dels­zen­trum. Tri­est hat­te sich zum Schutz vor dem mäch­ti­gen Vene­dig 1383  frei­wil­lig unter die Herr­schaft Öster­reichs gestellt. Eine Kon­stel­la­ti­on, die bis 1918 Bestand hat­te. Karls Toch­ter, Kai­se­rin Maria-The­re­sia, ließ die Stadt und den Hafen weit aus­bau­en. Das Vier­tel “Bor­go The­re­sia­no” war eines der ers­ten auf dem Reiß­brett ent­wor­fe­nen Stadt­pro­jek­te über­haupt, ein Han­dels­zen­trum mit schach­brett­mus­ter­ar­tig ange­leg­ten Stra­ßen, mit Lager- und Büro­häu­sern, die einem genau­en Plan folg­ten. New York läßt grü­ßen.  
Maria The­re­si­as Sohn, Joseph II, führ­te den Aus­bau der Stadt durch das Vier­tel “Bor­go Giu­sep­pi­no” wei­ter. Ein klei­ne­res ele­gan­tes Vier­tel mit vie­len Plät­zen, das zum wis­sen­schaft­li­chen und intel­lek­tu­el­len Zen­trum Tri­ests wurde.

Am süd­öst­li­chen Ende des Bor­go Giu­sep­pi­no, wo sich die Stadt an der Piaz­za Vene­zia zum alten Hafen öff­net, erstreckt sich der vor­neh­me Palaz­zo Revoltel­la. Bau­herr war Pas­qua­le Revoltel­la (1795–1869), der nicht nur eine wich­ti­ge Per­sön­lich­keit der Tri­es­ti­ner Grün­der­zeit war, son­dern ein Para­de-Unter­neh­mer der Früh­zeit, der Glo­ba­li­sie­rung und des inter­na­tio­na­len See­han­dels. Revoltel­la wur­de als Sohn eines Metz­gers in Vene­dig gebo­ren. Sei­ne Eltern zogen 1797 in die auf­stre­ben­de Stadt Tri­est und er begann als Lager­ar­bei­ter bei ver­schie­de­nen Han­dels­un­ter­neh­men zu arbei­ten. Die Dyna­mik in Tri­est schien für Revoltel­la wie gemacht, denn er mach­te sich mit einem Han­dels­un­ter­neh­men und Bank­haus selb­stän­dig, war Mit­be­grün­der der Assi­cu­ra­zio­ni Gene­ra­li und des Lloyd Aus­tria­co und einer der wich­tigs­ten Finan­ciers der Suez Kanal-Gesell­schaft, deren Vize­prä­si­dent er wur­de. 1867 wur­de er von Kai­ser Franz Joseph zum Baron ernannt.

Revoltel­la war natür­lich nicht der ein­zi­ge gro­ße Unter­neh­mer Tri­ests, aber dass wir heu­te unse­ren Blick auf sein Leben wer­fen kön­nen, liegt an einer sehr nach­hal­ti­gen Ent­schei­dung. Er beschloss schon zu Leb­zei­ten, dass sei­ne Stadt­re­si­denz zum Muse­um wer­den soll­te und ver­mach­te sie samt sei­ner dar­in unter­ge­brach­ten Kunst­samm­lung der Stadt Tri­est, mit der Auf­la­ge, sie der Öffent­lich­keit zugäng­lich zu machen und die Samm­lung lau­fend zu erwei­tern. Das Muse­um besteht heu­te aus zwei Tei­len. Der vor­de­re Teil des Muse­ums, zur Piaz­za Vene­zia hin, stellt das nach drei Sei­ten frei­ste­hen­de klas­si­sche Palais dar. Dar­an anschlie­ßend befin­det sich eine Erwei­te­rung das Muse­ums mit der Samm­lung moder­ner Kunst. Die Stadt Tri­est kauf­te den angren­zen­den Palaz­zo Brun­ner und Palaz­zo Base­vi und gestal­te­te die Gebäu­de nach den Plä­nen des Archi­tek­ten Car­lo Scar­pa in ein moder­nes Muse­um um.

Und es ist natür­lich sehr zu emp­feh­len, das Muse­um zu besu­chen. Der Ein­gang des Muse­ums befin­det sich im modern aus­ge­bau­ten Teil des Muse­ums, aber als Seg­le­rIn­nen und Meer­lieb­ha­be­rIn­nen wen­den wir uns gleich nach links und betre­ten das Pri­vat-Palais des Baron Revoltel­la. Hier tau­chen wir in die fas­zi­nie­ren­de Welt des 19. Jahr­hun­derts ein und machen eine Zeit­rei­se. Es ist die Welt der Wis­sen­schaft, des See­han­dels und der Reprä­sen­ta­ti­on. Revoltel­la hat den Ber­li­ner Star­ar­chi­tek­ten Fried­rich Hit­zig nach Tri­est geholt, um sein Palais zu bau­en. Hit­zig war ein Schü­ler Schin­kels, auf Pri­vat­bau­ten spe­zia­li­siert und von der fran­zö­si­schen Archi­tek­tur des Klas­si­zis­mus beein­flußt. Er ver­stand es meis­ter­lich klas­si­sche Ele­ganz und groß­bür­ger­li­che Pose zu kom­bi­nie­ren.
Wir schrei­ten durch die auf­wän­dig aus­ge­stat­te­ten Innen­räu­me, durch das Atri­um, das Arbeits­zim­mer des Barons mit den Plä­nen zum Suez Kanal, durch den roten Salon, die Biblio­thek, das Spie­gel­zim­mer und den Spei­se­saal, wo vor­neh­me Gala­di­ners zele­briert wur­den. Über­all fin­den sich Gemäl­de und Skulp­tu­ren aus sei­ner Samm­lung. Am schöns­ten spie­gelt eine gro­ße Figu­ren­grup­pe im ers­ten  Stock den Geist der Zeit wie­der. Die weib­li­che Euro­pa zer­schlägt die Land­enge von Suez und ver­bin­det das Rote Meer mit dem Mit­tel­meer, dar­ge­stellt durch zwei männ­li­che Figu­ren. 
Hier steht man in einer Dreh­schei­be des begin­nen­den welt­wei­ten See­han­dels und der Glo­ba­li­sie­rung.  Kapi­tal und Macht ver­schmel­zen mit Kunst und Wis­sen­schaft zu einer gran­dio­sen Ein­heit. Und das Ensem­ble wird zum Muse­um, denn die Zen­tren des Gel­des und des Han­dels wer­den eini­ge Jahr­zehn­te spä­ter aus den Palais in Glastür­me übersiedeln.

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Hat man genug bür­ger­li­che Luft in der gedämpf­ten Atmo­sphä­re die­ses Gesamt­kunst­werks ein­ge­at­met, dann ist man bereit für den moder­nen Teil des Muse­ums. Am bes­ten geht man jetzt gleich direkt auf die Dach­land­schaft des Kom­ple­xes. Die­ser Teil wur­de vom ita­lie­ni­schen Archi­tek­ten Car­lo Scar­pa ent­wor­fen, aber erst nach des­sen Tod fer­tig­ge­stellt. Dass Scar­pas Archi­tek­tur von Frank Lloyd Wright, der unter ande­rem das Gug­gen­heim Muse­um in New York ent­wor­fen hat, beein­flußt ist, läßt sich schwer über­se­hen. Hin­ter den alten Fas­sa­den hat er auf sechs Stock­wer­ken eine dyna­mi­sche Ver­schach­te­lung wei­ßer Muse­ums­räu­me gebaut. Ganz oben öff­net sich das Muse­um in einer Dach­land­schaft mit einem wun­der­ba­ren Blick auf Tri­est und den Golf. Die Archi­tek­tur begnügt sich nicht damit, ein neu­tra­ler wei­ßer Raum zu sein, son­dern gibt immer wie­der über­ra­schen­de Per­spek­ti­ven und Ebe­nen frei, ohne sich in den Vor­der­grund zu drän­gen. Die Samm­lung spannt einen Bogen von Revoltel­las Bild­welt des 19. Jahr­hun­derts, über die Moder­ne bis zur Kunst der Gegen­wart mit Schwer­punkt auf ita­lie­ni­sche Kunst. Dass hier die ganz gro­ßen Meis­ter­wer­ke nicht zu fin­den sind, darf nicht als Man­ko gese­hen wer­den, son­dern gehört zur Iden­ti­tät des Muse­ums. Pas­qua­le Revoltel­la  woll­te ja, dass die Pri­vat­samm­lung eines Groß­bür­gers in sei­nem Sin­ne wei­ter­ge­führt wird. Und da paßt ein Mon­dri­an, Picas­so oder Yves Klein weni­ger ins Bild als der Fokus auf die regio­na­len Ten­den­zen. Die Kunst­ge­schich­te ist ja auch kei­ne Anein­an­der­rei­hung von Meis­ter­wer­ken son­dern die Geschich­te der KünstlerInnen.

Wir bedan­ken uns nach dem Besuch bei Baron Revoltel­la, den wir nicht nur die Grün­dung des Lloyd Aus­tria­co  und den Bau des Suez Kanals zu ver­dan­ken haben, son­dern auch die­ses fan­tas­ti­sche Muse­um, das man auf kei­nen Fall aus­las­sen darf, wenn man in Tri­est ange­legt hat. An man­chen Ecken hat ja die impo­san­te Hafen­stadt an der Adria schon etwas, durch­aus char­man­ten, Staub ange­legt. Im Museo Revoltel­la aber ganz sicher nicht.

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